Sonntag, 14. September 2014

Mäzene und Bewahrer: Die wichtige Rolle von Wirtschaftsführern für die Kunst

Haben Sie sich schon mal gefragt, warum man in nahezu jedem Film über wichtige Investoren, Börsenmakler oder Banker in deren Büros Kunstgegenstände findet, die dem Laien oft hässlich erscheinen, dafür aber umso teurer sind?


Nun ja, das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass dies im wahren Leben häufig auch so ist. Es scheint eine innige Beziehung zwischen Geld und Kunst zu geben. Oder wie erklären Sie sich sonst die Versteigerung des Werkes “Abstraktes Bild” von Gerhard Richter, welches schlussendlich für umgerechnet 26,4 Millionen Euro über das berühmte Auktionshaus Sotheby’s in London den Besitzer wechselte?


Noch nie wurde so viel Geld für ein Werk eines noch lebenden Malers gezahlt. Wenn es um schon längst verstorbene Künstler geht, gehen noch horrendere Summen über den Tisch. Wie zum Beispiel für das teuerste Gemälde der Welt, das Tryptychon “Three Studies of Lucian Freud” des irischen Malers Francis Bacon für 142,2 Millionen Dollar.


Ein gewisses Kunstverständnis muss wohl jede/r Geschäftsmann/-frau mitbringen, sei es um gute Kunst zu erkennen und zu erwerben oder für die Vermarktung des eigenen Produkts.

Denn der Stellenwert von Kreativität nimmt in der heutigen Geschäftswelt deutlich zu, was man vor allem auf dem Gebiet des Visual Branding und Designs gut beobachten kann. Dabei geht es um das Marketing und die Platzierung von Produkten in einer kreativen und innovativen Art und Weise.


Kunsthändler und Mäzene

Kunsthändler und Mäzene
© Mumpitz – Fotolia.com


Eine ganze Industrie und Wissenschaft steckt hinter dieser Entwicklung, mit dem ultimativen Ziel, dem Käufer das Produkt schmackhaft zu machen und dann vor allem auch zu verkaufen.


Die Verkaufspsychologie befasst sich – genauso wie die Kunst – mit den psychischen Abläufen von Wahrnehmung, persönlicher Einstellung, Überzeugung und Motivation. Die Erkenntnisse werden genutzt, um tiefe und grundlegende Emotionen im potentiellen Kunden oder Kunstliebhaber zu wecken bzw. zu kreieren.


Ein Beispiel: Der typische Kunde im Supermarkt entscheidet sich in der Regel für das Produkt, das ihm am meisten zuspricht. Diese Entscheidung wird nun eben zu großen Teilen durch die Illustration auf der Verpackung beeinflusst, dank der sich der Kunde eine Vorstellung vom Produkt machen kann. In seltenen Fällen schaut er auf die Rückseite, um Inhaltsstoffe und Nährgehalte zu vergleichen. Lieber entscheidet er spontan aus dem Bauch heraus anstatt seine Wahl basierend auf den nackten Fakten zu treffen.


Aber nicht nur in diesem Sinne engagieren sich Geschäftsleute für Kunst und Design. Es wird auch tatkräftig unterstützt, um Newcomer in der Kunstszene unter die Arme zu greifen. Das tut zum Beispiel auch die JJ Foundation, welche von Nicole Junkermann (hier bei Xing) gegründet wurde und sich an Lateinamerika und dessen junge Künstler richtet.


Sie kooperiert mit zahlreichen anderen Stiftungen, wie der wohl wichtigsten Spaniens, der Fundación Montenmedio Arte Contemporáneo (NMAC Foundation). Diese lässt junge, unbekannte Künstler Ausstellungen in ihrem bekannten Skulpturenpark bei Vejer de la Frontera in der spanischen Provinz Cádiz veranstalten, was meist zu einem kräftigen Karriereschub führt.


Hierbei steht keinesfalls das Geld im Vordergrund, sondern die Ausstellung der Werke, welche die Kommunikation und das Verständnis der Gesellschaft mit Hilfe von Kunst voranbringen wollen.


Somit profitiert nicht nur das Geschäft von der Kunst, sondern die Vorteile ergeben sich eben auch andersherum. Eben diese verflochtene Verbindung der beiden eigentlich so unterschiedlichen Felder wirkt so paradox und trotzdem passend. Die Geschäftswelt, die sich mit den logischen und klaren Zahlen und Fakten auseinandersetzt und auf der anderen Seite die Kunst, die Kreativität und deren bunte Umsetzung erfordert.


Die Grenzen zwischen Kunst und Geschäft werden immer weiter aufgehoben, denn schon längst verschwimmen diese beiden Welten mehr und mehr ineinander.



Mäzene und Bewahrer: Die wichtige Rolle von Wirtschaftsführern für die Kunst

Sonntag, 7. September 2014

Ai Weiwei und "The Fake Case"

Der Titel dieses Artikels ist doppeldeutig – es geht um einen Film des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, und um “The Fake Case” (den Scheinprozess), der hinter diesem Film steckt.


Der Film “The Fake Case”


Der Film “The Fake Case” ist eine kanadisch-dänisch-britische Produktion, bei der der preisgekrönte dänische Dokumentarfilmer Andreas Johnsen die Regie übernommen hat. Das Buch zum Film stammt ebenfalls von Andreas Johnsen, der mit seiner Firma Rosforth Films eine Reihe Aufsehen erregender Dokumentarfilme produziert hat und zu den Stars des dänischen Dokumentarfilms gehört.



Ai Wei Wei vor seiner Installation “Template” auf der Documenta 12 im Juni 2007[/caption]

Auch hier gelang es Johnsen und seinem Team, in beängstigender Prägnanz den Kern der Bedrohlichkeit des Scheinprozesses einzufangen, nach 86 Minuten Film fühlt der Zuschauer die Beklemmung am eigenen Körper.


Der regimekritische Künstler Ai Weiwei war am Flughafen von Peking am 3. April 2011 verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. 81 Tage lang hielt ihn die chinesische Staatsmacht ohne rechtsstaatliches Verfahren und unter vorgeschobenen Begründungen dort eingesperrt, das Ziel war, den kritischen Künstler endlich mundtot zu machen.


Das hat viel Aufsehen in der demokratischen Welt erregt, und es gibt nicht nur einen Film über Ai Weiwei in der Zeit der Haft. Die Amerikanerin Alison Klayman, die lange Zeit in China lebte, widmet sich im Dokumentarfilm “Never Sorry for Exposing China’s Oppression” (Ich werde mich nie dafür entschuldigen, die Unterdrückung in China aufzudecken) dem Künstler in und nach der Haft. Sie begleitet sein Leben drei Jahre, der Dokumentarfilm zeigt Ausschnitte aus Ai Weiweis Leben während dieser Zeit, inklusive seiner Verhaftung 2011.


Insgesamt entstand eine Art dokumentarische Autobiografie, die Ai Weiweis gesamtes Leben und Werk berührt. Der Dokumentarfilm, meist nur mit dem Titel “Never Sorry” zitiert, kam 2012 heraus und hatte auf der documenta 13 seine deutsche Premiere.



Der dänische Dokumentarfilmer Andreas Johnsen hat Ai Weiwei erst nach seiner Entlassung begleitet – wenn er in China war, allerdings auf Schritt und Tritt. Ai Weiwei war nach seiner Haft im Juni 2011 nur auf “Bewährung” freigekommen. Der Haftgrund wurde bei seiner “Verhaftung” einfach behauptet und ist bis heute nicht mit Beweisen belegt worden. Damit stellt sich das Vorgehen gegen Ai Weiwei als rechtswidrige Freiheitsberaubung dar, weil eine Verhaftung in einem Rechtsstaat eben einen solchen Haftgrund voraussetzt.


Danach stand Ai Weiwei ebenso grundlos ein Jahr lang unter strengem Hausarrest. Das hieß, dass er nicht vor die Haustür treten durfte, dass er weder Interviews noch sonstige Erklärungen abgeben durfte, er wurde verpflichtet, ständigen Kontakt mit der Polizei aufrecht zu erhalten.


Der eigentliche “Fake Case” ist eine, wie gesagt, ohne jeden Beweis unterstellte Steuerhinterziehung, für jeden in einem rechtsstaatlichen Gedankenraum befindlichen Menschen ein offensichtlicher Versuch des Staates, den für kritische Äußerungen bekannten Künstler einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.


Das wäre gelungen, wenn das chinesische Volk nicht in einer wirklich Aufsehen erregenden Art und Weise Unterstützung geliefert hätte: Tausende von Bürgern spenden, mit ihrer Hilfe kann Ai Weiwei die absurde Millionensumme aufbringen, die der Staat ihm “als Strafe” auferlegt hat.



Andreas Johnsen war sieben Mal in China, um Ai Weiwei zu begleiten, insgesamt hat er jahrelang an diesem Film gearbeitet. Johnsen lässt Ai Weiwei einfach erzählen, über die 81 Tage Isolationshaft, darüber, dass sich in seiner winzigen Zelle auch noch ständig zwei Wärter befanden. Sogar während der Nachtruhe, von der man sich gut vorstellen kann, dass sie nicht so nachtruhig war, schon ohne Ai Weiwei Berichte über auf und ab gehende oder unter Schluckauf leidende Bewacher.


Johnsen zeigt auch, dass Ai Weiwei an seine Grenzen geht, er zeigt ihn übermüdet und überfordert – vor allem zeigt er aber, wie es Ai Weiwei dennoch gelingt, die rechtlosen und schamlosen Übergriffler in sein Leben mit ihren eigenen Waffen zu schlagen:


Er installiert in seinem Atelier gleich vier Kameras, die ihn von allen Seiten überwachen, Tag und Nacht, 24 Stunden, und streamt die Bilder auch 24 Stunden nonstop in die Welt, wodurch er nicht nur eindrücklich die vollkommene Harmlosigkeit seines Tuns und Lebens beweist, sondern ebenso eindrucksvoll jedem phantasiebegabten Menschen eine Vorahnung davon gibt, was es wirklich bedeutet, wenn die eigenen Daten und die Bilder des eigenen Lebens zum Spielball einer nicht autorisierten und nicht rechtsstaatlich geregelten Datensammlung und Datennutzung per Internet werden.


Wenn berichtet wird, dass die Behörden über die selbstentäußernde Verteidigung des Künstlers “alles andere als erfreut” sind, läuft sicher auch weniger phantasiebegabten Menschen der erste Schauer den Rücken hinunter …


Andreas Johnsen hat in “The Fake Case” die Atmosphäre der Rechtlosigkeit und ihre Auswirkungen auf Chinas berühmtesten Künstler sehr intim dargestellt, gerade dadurch gelingt es dem Film, Ai Weiweis ungebrochenen Mut im Kampf gegen die chinesischen Schein-Autoritäten um so deutlicher herauszustellen.


Damit wird Ai Weiweis und Andreas Johnsens “Fake Case” zu einem beeindruckenden Stück Hoffnung auf den Fortbestand der Menschlichkeit, der in Dänemark nach dem dortigen Filmstart im Jahr 2013 mit dem Kritikerpreis “Bodil” für den besten Dokumentarfilm des Jahres ausgezeichnet wurde.



Was geht uns das an?


Bei Gesprächen auf Kneipen-Niveau – die es immer noch gibt, auch wenn es immer weniger Kneipen gibt – kommt sehr schnell die Meinung zum Ausdruck, dass es ja wohl völlig überzogen sei, sich für einen Künstler einzusetzen, der in China sitzt, man habe doch hier in Deutschland genug zu tun, und unser Geld solle doch besser den Bedürftigen hier zugute kommen (welches Geld sie meinen, bleibt unklar, vielleicht ein Salär, dass Ai Weiwei für seine Tätigkeit an der Berliner Akademie der Künste bekommen würde, wenn er diese denn ausüben könnte – was das weitergedacht bedeuten würde, weigert die Autorin sich auszumalen).


Das sind die Leute, die sagen “mir doch egal, wenn jemand meine Daten sammelt, ich habe doch nichts zu verbergen!”, ohne zu merken, dass sie gerade international verhökert werden und dass Menschen schon auf Überwachungs- und Ausgrenzungslisten landen, wenn eine Familie gleichzeitig nach einem Kochtopf und irgendeinem Campingzubehör im Internet sucht, weil man aus diesen beiden Sachen schlimme Dinge bauen kann (was in dieser Familie natürlich keiner weiß).


Das sind meist übrigens auch die Leute, die sich für ihre Mitbürger im eigenen Land typischerweise nicht engagieren und einem Opfer einer maßlosen Ungerechtigkeit im Zweifel noch den Rat geben, es solle sich doch nicht so aufregen, gegen “die da” könne es doch sowieso nichts tun.


“THE FAKE CASE macht die Wahrheit zur Waffe. Unbedingt anschauen.”[/quote]

Ai Weiwei und "The Fake Case"